Umdenken bei der Handhygiene

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Intensivierte Handhygiene in der Coronapandemie ist zwar unverzichtbar, sie birgt aber ein erhöhtes Risiko für Handekzeme. Experten der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft e.V. (DDG) wiesen im Vorfeld der 51. virtuellen DDG-Tagung (14. bis 17. April 2021) darauf hin, dass anstelle von häufigem Händewaschen mit Seifen die Hände desinfiziert und anschließend eingecremt werden sollten. Welche Erkenntnisse Dermatologinnen und Dermatologen nach einem Jahr Corona-Präventionsmaßnahmen in Bezug auf Effekte der Handhygiene haben und welche Maßnahmen sowohl im medizinischen und pflegerischen Umfeld als auch für die Gesamtbevölkerung wünschenswert wären, diskutierten die Experten auf der DDG-Pressekonferenz am 14. April 2021.

Mit Beginn der Coronapandemie etablierte sich als eine der wichtigen Präventionsmaßnahmen zum Schutz vor einer Coronainfektion die intensivierte Handhygiene. So empfahl das Robert Koch-Institut (RKI) all jenen, die im medizinischen und pflegerischen Bereich tätig sind, die regelmäßige Handdesinfektion mit alkoholischen, das Virus zerstörenden (viruziden) Präparaten. Für die Gesamtbevölkerung verfasste die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) entsprechende Tipps für das empfohlene häufige Händewaschen mit Seifen (auch Detergenzien genannt) zusammen. „Zu beachten ist, dass die für die Handhygiene verwendeten Mittel nicht nur den erwünschten Effekt einer Ablösung oder Abtötung des Krankheitserregers haben, sondern auch das Hautorgan selbst beeinträchtigen können“, sagt Professor Dr. med. Peter Elsner, Beauftragter für Öffentlichkeitsarbeit der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG).

Angegriffene Barrierfunktion

Ein wesentliches Charakteristikum der Haut ist ihre epidermale Barrierefunktion. Durch die eingesetzten Substanzen können die im Stratum corneum (Hornschicht) interzellulär vorhandenen Lipid-Doppellamellen, aber auch dem Wasserhaushalt dienende Peptide („Natural Moisturizing Factor“) angegriffen werden. Dies begünstigt dann die Entstehung eines irritativen Kontaktekzems.
Erste Berichte aus Hautarztpraxen über eine Zunahme von Handekzemen schon wenige Monate nach Beginn der Coronapandemie bestätigten die Vermutung, dass die intensivierte Handhygiene ein Risiko für die Hautgesundheit in sich birgt. Aus früheren Untersuchungen ist bekannt, dass insbesondere bei Beschäftigten im Gesundheitsdienst, die beruflich bedingt eine besonders intensive Handhygiene betreiben müssen, Handekzeme aller Schweregrade weit verbreitet sind.
Nun ergab eine aktuelle Studie bei 114 Beschäftigten in einem OP und der Intensivstation des Universitätsklinikums München, dass unter den Bedingungen der Corona-Pandemie die Handhygienemaßnahmen signifikant zunahmen und dass in deren Folge 90 Prozent der Mitarbeiternnen und Mitarbeiter klinische Symptome eines Handekzems zeigten: Insbesondere Hauttrockenheit (83,2 Prozent), gefolgt von Erythem (38,6 Prozent), Juckreiz (28,9 Prozent), Brennen (21,1 Prozent), Schuppung (18,4 Prozent), Fissuren (9,6 Prozent) und Schmerzen (4,4 Prozent).

„Aus arbeitsmedizinischen Untersuchungen der letzten Jahre wissen wir zudem, dass Detergentieneffekte sich durch das anschließende Tragen von Handschuhen verstärken. Bei alkoholischen Desinfizientien ist dies nicht der Fall “, erklärt Elsner. Die Hautpflege mindere zudem nicht die antiseptische Wirkung der alkoholischen Desinfektionsmittel, so der Dermatologe aus Jena.

Umdenken erforderlich

„Die Erhaltung der Hautgesundheit macht ein Umdenken bei der Handhygiene-Strategie erforderlich“, betont Elsner, Direktor der Klinik für Hautkrankheiten am Universitätsklinikum Jena.
„Aus dermatologischer und arbeitsmedizinischer Sicht raten wir in Zeiten intensivierter Handhygiene vom Einsatz von Detergentien ab. Hautschonender ist das Desinfizieren in Verbindung mit intensiver Hautpflege.“ Wenn trotz dieser Maßnahmen Handekzeme auftreten, sollten diese unverzüglich leitliniengerecht behandelt und, bei vermuteter beruflicher Verursachung, dem zuständigen Unfallversicherungsträger zur Einleitung von Maßnahmen der individuellen Prävention gemäß § 3 BKV gemeldet werden.


Quellen:
Antonov D, Schliemann S, Elsner P: Contact dermatitis due to irritation. In: John SM, Johansen JD, Rustemeyer T, Elsner P, Maibach HI, editors. Kanerva’s Occupational Dermatology. Heidelberg New York: Springer; 2020.
Antonov D, Schliemann S, Elsner P: Wet work and occlusion. In: John SM, Johansen JD, Rustemeyer T, Elsner P, Maibach HI, editors. Kanerva’s Occupational Dermatology. Heidelberg New York: Springer; 2020.
Guertler A, Moellhoff N, Schenck TL, et al.: Onset of occupational hand eczema among healthcare workers during the SARS-CoV-2 pandemic - comparing a single surgical site with a COVID-19 intensive care unit. Contact Dermatitis [Internet]. 2020; Available from: http://dx.doi.org/10.1111/cod.13618
Welle S: Vergleichende Untersuchungen zum kumulativen in-vivo Irritationspotential beruflich relevanter alkoholischer Irritanzien [Internet]. Friedrich-Schiller-Universität Jena; 2019. Available from: http://dx.doi.org/10.22032/DBT.39635
Ergänzende Empfehlungen der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) zur Erhaltung der Hautgesundheit bei Handhygiene-Maßnahmen zur Prävention der COVID-19-Prävention:

1. Eine Desinfektion mit einem viruswirksamen alkoholischen Händedesinfektionsmittel, nach Möglichkeit mit barriereschützenden Hilfsstoffen wie Glycerol, sollte bei fehlender sichtbarer Verschmutzung der Hände und Verfügbarkeit Vorrang haben vor Waschungen mit Seife oder Waschlotionen (Detergentien).
2. Nach jeder Waschung und/oder Desinfektion sollte die Haut der Hände vollständig mit einem Pflegepräparat eingecremt werden, das die Regeneration der Hautbarriere unterstützt.
3. Beim Auftreten von Hautveränderungen im Sinne eines Handekzems sollte eine hautärztliche Behandlung eingeleitet und, bei möglicher beruflicher Verursachung, ein Hautarztbericht erstellt werden.


Zur Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG):
Die Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG) e. V. ist die wissenschaftliche Fachgesellschaft der deutschsprachigen Dermatologinnen und Dermatologen. Als eine gemeinnützige Organisation mit mehr als 3.800 Mitgliedern fördert sie Wissenschaft und Forschung auf dem Gebiet der Dermatologie und ihrer Teilgebiete. Die DDG setzt sich für die Förderung der klinischen und praktischen Dermatologie, Allergologie und Venerologie sowie ihrer konservativen und operativen Teilgebiete ein. Mit der Durchführung von wissenschaftlichen Veranstaltungen und Kongressen engagiert sie sich in der Fort- und Weiterbildung, sie entwickelt Leitlinien und unterstützt Forschungsvorhaben durch Anschubfinanzierungen und Förderungen. Darüber hinaus vergibt die DDG zusammen mit der Deutschen Stiftung für Dermatologie Forschungsgelder und Stipendien an vielversprechende Nachwuchsmedizinstudierende und an namhafte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

Quelle: Deutsche Dermatologische Gesellschaft e.V.
www.derma.de
Berlin, 29. März 2021

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